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Max Weber – Jurist, Nationalökonom und Soziologe

Max Weber wurde 1864 in eine wohlhabende Familie geboren, die dem Wirtschafts- und Bildungsbürgertum angehörte und weltweit vernetzt war. Als er seine Universitätskarriere begann, erlebte das Deutsche Reich eine wirtschaftliche Blütezeit. Weber studierte Rechtswissenschaft und wurde in Berlin mit rechtsgeschichtlichen Arbeiten zum Mittelalter und der Antike promoviert, beziehungsweise habilitiert. Zudem wandte er sich früh den Problemen des modernen Agrarkapitalismus im Osten des Deutschen Reichs zu. Als Mitglied der bürgerlichen Klasse kämpfte er von Beginn an für ein politisch selbstbewusstes Bürgertum und gegen dessen Neigung zur Feudalisierung. Auch der Scheinkonstitutionalismus des Deutschen Reiches war schon früh Gegenstand seiner Kritik.

Ein „Galilei der Geisteswissenschaften“
Karl Jaspers über Max Weber (nach Sven Papcke, Die ZEIT vom 5.10.1984, S. 33)

Erst Heidelberg, dann die Welt

Nach einer Lehrtätigkeit im Handelsrecht an der Universität Berlin wurde Max Weber 1894 überraschend auf einen Lehrstuhl für Nationalökonomie und Finanzwissenschaft an die Universität Freiburg berufen, obgleich er sich für dieses Fach nicht habilitiert hatte. Bereits zwei Jahre später folgte der Ruf auf den Lehrstuhl für Nationalökonomie und Finanzwissenschaft an der Universität Heidelberg, als Nachfolger von Karl Knies. Sein Gesundheitszustand verschlechterte sich allerdings zusehends, so dass er seinen Lehrverpflichtungen immer weniger nachkommen konnte. 1903 schließlich legte er sein Lehramt nieder und zog sich, obgleich weiterhin Honorarprofessor, bis 1918 von jeder Lehrtätigkeit zurück. Fortan führte er das Leben eines Privatgelehrten in Heidelberg, ganz auf seine wissenschaftlichen und politischen Interessen konzentriert.

Als wir damals so enttäuscht den Hörsaal verließen, dachten wir, Max Weber sei ultrakonservativ. Die Schlußfolgerung jedoch war voreilig.
Max Horkheimer über Max Weber
(In: Deutsche Gesellschaft für Soziologie (1965): Max Weber und die Soziologie heute. Verhandlungen des fünfzehnten deutschen Soziologentages. Tübingen: J.C.B. Mohr)

Von der „Protestantischen Ethik“ zu den universalen Rationalisierungsprozessen

Nach 1903 entstanden seine bis heute bekanntesten Schriften, darunter vor allem die Aufsätze „Die protestantische Ethik und der ‚Geist‘ des Kapitalismus“, in denen Weber die ideellen Ursprünge des modernen Berufsverständnisses in der durch die Strömungen des asketischen Protestantismus geprägten Lebensführung verortet. Diese  Aufsätze gelten bis heute als wegweisende Texte der Soziologie.

Um 1911 begann Max Weber, sich verstärkt mit der Wirtschaftsethik der Weltreligionen und mit dem Verhältnis der Wirtschaft zu den übrigen gesellschaftlichen Ordnungen und Mächten zu befassen. Dies diente ihm auch dazu, seine These von der engen Wahlverwandtschaft zwischen religiösem und kapitalistischem Geist in einen universalhistorischen Zusammenhang zu stellen.

Der Puritaner wollte Berufsmensch sein, – wir müssen es sein.
Max Weber, Die protestantische Ethik und der ‚Geist‘ des Kapitalismus II (1905), MWG I/9, S. 422.

Dabei war es sein Ziel, eine Typologie und Soziologie des Rationalismus zu entwickeln. Er diagnostizierte einen für das Abendland charakteristischen Rationalisierungsprozess, der diesen Kulturkreis von anderen Kulturkreisen trennte und zu Kulturerscheinungen führte, die von universeller Bedeutung und Gültigkeit zu sein schienen. Dieser Prozess hatte die technische Beherrschung der Welt durch die Menschheit in allen Bereichen des Lebens enorm gesteigert, zugleich aber die Gefahr des  Sinn- und Freiheitsverlusts heraufgeführt.

Max Weber in München

Es ist Alles so „heiter“:
Stadt u. Menschen, – nur
das Klima ist scheußlich.
Max Weber über München im Brief an Marianne
Weber vom 13. Juli 1919, MWG II/10, S. 686

Nach einem Probesemester an der Universität Wien übernahm Max Weber 1919 wieder einen Lehrstuhl, diesmal an der Universität München als Nachfolger von Lujo Brentano. Der Lehrauftrag lautete auf Gesellschafts­wissenschaft, Wirtschaftsgeschichte und Nationalökonomie. Seine Lehrtätigkeit dauerte freilich nicht einmal drei volle Semester.

Denn bereits im Juni 1920, mitten in seinem dritten Semester, ereilte ihn der Tod. Sieht man von den zahlreichen früheren Besuchen der Stadt ab, so blieb ihm nur etwa ein Jahr in München. Es handelt sich zudem eine Zeit, in der revolutionäre Ereignisse an der Tagesordnung waren und die Neuordnung Deutschlands und Europas zur Debatte stand.

Wie in Heidelberg, so verkehrte  Max Weber auch in München in intellektuellen Kreisen. So war er gern gesehener Gast im literarischen Salon von Elsa und Max Bernstein, wo er unter anderem Thomas Mann begegnete. Er pflegte Kontakte zu Paul Ernst, Ricarda Huch, Rainer Maria Rilke und Helene Böhlau.

Literaturhinweis: M. Rainer Lepsius, Max Weber in München. Rede anläßlich der Enthüllung einer Gedenktafel, in: Zeitschrift für Soziologie, 6. Jg., Heft 1, Jan. 1977, S. 103–118.

Die Münchner Reden

Wenige Tage vor dem Ende des Kaiserreichs sprach Weber am 4. November 1918 in den Wagnersälen in der Sonnenstraße vor Hunderten Zuhörern, unter ihnen auch Rainer Maria Rilke, über die politische Neuordnung Deutschlands. Seine politischen Thesen lauteten: freiwilliger Thronverzicht des von ihm gehassten Kaisers Wilhelm II., scharfe Bekämpfung des Bolschewismus, Verständigungsfrieden, Parlamentarisierung der Reichsverfassung und Beseitigung des Klassenwahlrechts überall im Reich.  

Berühmt wurden aber vor allem zwei seiner Münchner Reden, welche die Freistudenten außerhalb der Universität organisierten: „Wissenschaft als Beruf“ und „Politik als Beruf“. Auch innerhalb der Universität galt Weber schnell als ein faszinierender Redner. Die rapide wachsende Zahl seiner Hörer machte es sogar erforderlich, eine Vorlesung ins Auditorium Maximum zu verlegen.

„Weber […] erwies sich als der gute, geschickte und lebhafte Sprecher,
als der er gilt“.
Thomas Mann über Max Weber
(In: Tagebücher, Eintrag vom Sonntag, 28. Dez. 1919, in: Tagebücher 1918-1921, hg. von Peter de Mendelssohn. Frankfurt a.M.: S. Fischer 1979, S. 352).

Politische Stellungnahmen

Mit seinen liberalen Ansichten stieß Max Weber sehr bald im Münchner bürgerlich-konservativen Milieu auf Ablehnung. In zwei Hochverratsprozessen im Sommer 1919 sagte er zugunsten von Ernst Toller und Otto Neurath aus, die in der Räterepublik aktiv gewesen waren. Außerdem stellte er sich der Diskussion mit kommunistischen Studenten. Eine der Folgen: Nur mit knapper Mehrheit wurde er zum ordentlichen Mitglied der Bayerischen Akademie der Wissenschaften gewählt.

Im Januar 1920 sah sich Weber zu einer weiteren politischen Stellungnahme herausgefordert. Rechte Studenten hatten für Graf Arco-Valley, den zum Tode verurteilten Mörder des ersten Ministerpräsidenten des Freistaates Bayern, Kurt Eisner, ein Gnadengesuch eingereicht und an der Universität linke Studenten wegen ihres Protestes dagegen diffamiert. Zu Beginn seiner nächsten Vorlesung bekannte Weber, dass er Arco hätte erschießen lassen, denn nun würde Eisner zum Märtyrer und Arco selbst zu einer Kaffeehaus-Sehenswürdigkeit. Die Rechtsradikalen störten daraufhin seine Vorlesung mit Gejohle und Trillerpfeifen, so dass der Zugang zu ihr kontrolliert werden musste.

Nur wenige Monate später starb Max Weber mitten in der Arbeit an seinen beiden Großprojekten „Wirtschaft und Gesellschaft“ und „Gesammelte Aufsätze zur Religionssoziologie“. Beide blieben unvollendet. Doch vor allem sie sind es, die seinen Weltruhm begründeten.

„... und ‚das andre Ufer‘ mit seiner
gewissen Einsamkeit gegenüber allen
Gesunden, auch den Nächststehenden,
ist mir ja vertraut“.
Brief Max Webers an Mina Tobler vom 15. Juni 1918, MWG II/10, S. 195.